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Appreciative Inquiry - die Revolution im Change-Management

Mit dem Positive Leadership-Ansatz "Appreciative Inquiry" - kurz AI - lenken Sie in Change-Prozessen die Aufmerksam auf Potentiale und auf´s Gelingen.

von Rica Braune

Appreciative Inquiry lenkt im Team die Aufmerksam auf Potentiale und Gelingen

Ressourcen-Orientierung im Fokus

Das wissenschaftliche erforschte Konzept Appreciative Inquiry

Der Ansatz der Appreciative Inquiry (AI) wurde von David Cooperrider und Diana Whitney an der Case Western University in Cleveland, Ohio, konzipiert und beforscht. Sie definieren AI als ein Leadership-Konzept, das kreatives Potential fördert, positive Energien frei werden lässt und damit die Gestaltung von Veränderungsprozessen im Sinne einer „positive Revolution of Change" beeinflusst. (Cooperrider, 2000)

Wie nun kann man dieses Potential – das in Personen und Organisationen immer steckt - entdecken und fördern? Durch „wertschätzendes Erkunden" (Cooperrider, 2011), durch „radikale Ressourcen-Orientierung", durch das AI-Interview als „erkundendes Fragen".

Das AI-Interview gilt als Herzstück und beruht auf der lösungsorientierten/ lösungsfokussierten Fragetechnik von Steve de Shazer. De Shazer geht in seiner Fragetechnik weg von der Problemsicht, hin zur Lösungsfokussierung, wie sie bis heute zahlreich in systemisch-lösungsorientierten Therapie- und Coachingansätzen wiederzufinden ist. AI fokussiert zudem und wesentlich auf die Ressourcen, die ein System - Mensch, Teams, Organisationen - hat, um die jeweils angestrebte Lösung zu erhalten.

AI setzt Fähigkeiten, Stärken und Potentiale in Gang und trägt damit zum Gelingen von Veränderungsprozessen bei

Die wertschätzende Erkundung folgt der Grundannahme, dass Menschen, Teams und Organisationen sich immer in die Richtung wenden werden, in die ihre Aufmerksamkeit hingelenkt wird. Und dass in jeder Organisation, in jedem Menschen ein großes Potential vorhanden ist, das bereit ist, aufzublühen – wenn man es findet und lässt (Blickhan 2021). AI als Leadership- und Change-Methode setzt Fähigkeiten, Stärken, Erfolge, Potentiale des Systems (Ruth Seliger, 2014) ins Zentrum.

Konkret bezogen auf Organisationsentwicklungs-Prozesse bedeutet das folgende drei Dimensionen:

  • Die Potentiale des Systems (Personen - Organisationen - Teams), erkennbar und sichtbar machen. Und zwar durch eine radikale Haltung der Wertschätzung auf das System und alle darinnen. In konkreten OE-Prozessen kann ich als Beraterin mit dieser Haltung auch alle aktuellen und vorherigen Mitarbeiter:innen und die gesamte Historie der Organisation wertschätzend als vorhandene Ressourcen "begreifbar werden" lassen.
  • Das Instrument der systemischen Erkundung, die "Selbsterforschung" wird von allen Mitarbeiter:innen angewendet, und wird zum täglichen Handwerkszeug. Das bedeutet, dass Kommunikation und Austausch immer einen lernenden Charakter im Sinne einer Potentialsuche haben.
  • Mit Leitungen und Mitarbeiter:innen wird ein Prozessmodell der Veränderung erarbeitet. Hier kann ich durchaus auch agile Konzepte wie SCRUM und natürlich auch die Grundhaltung des KVP (kontinuierlicher Verbesserungsprozess) aus dem Qualitätsmanagement integrieren.

Ein Change-Prozess nach AI durchläuft fünf Prozessschritte:

Die Ausgangslage ist kurz skizziert: Es gibt ein Problem. Die Interventionen in einem AI-Veränderungsprozess basieren darauf, dieses Problem nicht zu "beseitigen", sondern als einen Impuls zu begreifen, aus dem eine Veränderung initiiert werden kann. Basierend auf der Grundannahme, dass die Organisation und alle Akteure darinnen bereits andere Probleme gemeistert haben und über die Ressourcen verfügen, auch dieses Problem zu meistern.

Die AI-Prozess-Schritte (nach Ruth Seliger, 2014):

  1. Ein Veränderungsziel wird als Zukunftsbild, motivierend und richtungsweisend, definiert.
  2. Alle Ressourcen, die für dieses Ziel gebraucht werden und die es heute schon im System gibt, werden „erkundet".
  3. Auf dieser Grundlage entwickelt die Organisation eine Vision und modelliert diese für die Zukunft – ähnlich wie bei der „Wunderfrage" nach de Shazer (Woran werden wir erkennen, dass wir die Vision umgesetzt haben?).
  4. Die Umsetzung der Vision wird entworfen und mit den gängigen Methoden des Projektmanagements (Ziel, Plan, Meilensteine) oder auf Basis eines Entwicklungsprozesses nach ISO 9001 begonnen. Diese Umsetzung fokussiert bei AI in besonderer Weise auf der Integration des Innovativen, das Neue ist also bereits bei den ersten Schritten innewohnend.
  5. Alle weiteren Schritte zur Umsetzung werden stringent angegangen, damit wird die Vision "entfaltet".

„Kraftquellen als Schlüsselfaktoren“, um die „Positive Veränderung“ zu erzeugen

Ein so aufgebauter Veränderungs-Prozess braucht als Kernelement das AI-Interview.

Das AI-Interview kann als solches alleine stehen, kann aber auch zentraler Bestandteil eines Change-Prozesses sein. Es sucht die die „Kraftquellen als Schlüsselfaktoren" für die „Positive Veränderung". (Zur Bonsen/ Maleh, 2012)

Das AI-Interview erforscht beim Interviewten bereits erlebte, herausragend positive Erfahrungen. Es beginnt also mit einem Blick in die Vergangenheit und forscht, wo der/die Befragte sich kraftvoll, wirksam, lebendig, positiv erlebt hat. Vor allem geht es um das Ankern von positiven Gefühlen. Es wird weiter gefragt, was damals zum Gelingen beitrug und wie es in die Zukunft mitgenommen werden könnte.

Die nächsten Fragen erkunden die Gegenwart. Die Interviewten werden sich ihrer aktuellen Rolle im Kontext bewusst. Es wird erkundet, was wichtig ist, was trägt, was Sinn stiftet. Und es wird erkundet, wobei und wie die Person ihren Beitrag wertschätzen und zuversichtlich und lebendig einbringen kann. Eigene Blickwinkel und Blickwinkel aus der Perspektive anderer werden eingebaut.

Im dritten Schritt geht es um den Beitrag der Interviewten am aufgezeigten Zukunftsbild, z.B. um die eigenen Ideen für die Vision im Veränderungsprozess. Kraftquellen, eigene Ressourcen, Ressourcen des Systems werden somit erkundet und „hineingenommen" in die Erkundung der Zukunft.

Abschließend ist es sinnvoll, den ersten Schritt auf dem Weg zu dieser Zukunft zu erfassen. Die Erkenntnis und ggf. das Comittment auf diesen ersten Schritt gibt Sicherheit, dass die Kraft zur Veränderung spürbar, fassbar wird. (Daniela Blickhan, 2021 / Ruth Seliger, 2014 / Zur Bonsen, Maleh, 2012)

Wertschätzendes Erkunden in der konkreten Anwendung

In Change- und Organisationsentwicklungs-Prozessen, insbesondere wenn sie auf Positive Leadership fokussieren, nutze ich inzwischen verschiedenste Moderations-Methoden. Insbesondere am Beginn von Veränderungsprozessen empfehle ich, dass möglichst alle Beteiligten, also Mitarbeiter:innen und Führungskräfte gleichermaßen, zusammenkommen.

Der darauf aufbauende moderierte Prozess ist bei Anwendung der AI oft eher ein lenkender. Lösungsideen sprudeln, Mitarbeitenden wirken lernbereit, mitwirkungsmotiviert und geben tendenziell zum Change-Prozess positives Feedback. Ressourcen, Kompetenzen, Stärken, Ideen und Potentiale werden sichtbar und wahrnehmbar und führen in die Umsetzung.

Fazit

AI und die Haltung der kontinuierlichen Verbesserung aus dem Qualitätsmanagement (KVP) haben viele Parallelen. Beide beschäftigen sich mit der Frage, wie Probleme und Fragestellungen besser gelöst werden, vorsorglicher und von vornherein nachhaltiger und vorausschauender angegangen werden können. AI stellt Ressourcen und die Orientierung daran ins Zentrum und sagt, dass die Fokussierung auf eine positive Vision das Gelingen sehr viel leichter, besser, schneller ermöglicht.

Bei der Anwendung von AI gibt es für ISO 9001-affine Organisationen gute Anknüpfungspunkte. Die ISO 9001 geht ebenfalls davon aus, dass das Vorhandensein von Zielen und die Ausrichtung allen Tuns mit geeigneten Maßnahmen auf diese - unter Sicherstellen der dafür benötigten Ressourcen - gute Ergebnisse bringt. Zudem beschreibt die ISO 9001 – ebenso wie AI - dass das Auffinden eines Problems, eines Fehlers (ISO) eine Lösungs- bzw. Entwicklungssuche initiieren sollte, nicht etwa eine Suche nach dem Schuldigen. Ein wesentlicher Unterschied zwischen AI und ISO besteht darin, dass AI die Vision als positive Vision, die anzustrebende Zukunft mit kraftvollen Bildern, den Fokus auf positive Erfahrungen ausrichtet.

Zusammenfassend gesagt: In die OE-Arbeit mit AI binde ich alle Mitarbeiter:innen und Leitungen von Anfang an ein. Die gemeinsame Entdeckungsreise lenkt die Aufmerksamkeit und das Tun zu den in der Organisation und den Personen bereits vorhandenen Ressourcen. In Workshops und AI-Interviews finden Mitarbeiter:innen und Führungskräfte im Erkennen ihrer bereits vorhandenen und erprobten Stärken Lösungsstrategien, mit denen sie bzw. die Organisation aktuelle und zukünftige Herausforderungen und Veränderungsprozesse erfolgreich meistern können.

Literatur und Quellen

  • Chris Agyris/ Donald Schön, Die Lernende Organisation, 1999
  • Daniela Blickhan, Positive Psychologie, Ein Handbuch für die Praxis, 2018
  • Dong Young Kim/ Vinod Kumar/ Steven A. Murphy, European Foundation for Quality Management - Business Excellence Model, 2010
  • Matthias zur Bonsen/ Carole Maleh, Appreciative Inquiry (AI), 2012
  • David Cooperrider/ Peter F. Sorensen/ Diana Whitney, Appreciative Inquiry, 2005
  • Edgar Schein, Organisationskultur, 2003, EHP 2010
  • Ruth Seliger, Appreciative Inquiry, Beratung in Veränderungen, 2003
  • Steve de Shazer, Mehr als ein Wunder, Die Kunst der Lösungsorientierten Kurzzeittherapie, 2018
  • Steve de Shazer, Der Dreh, Überraschende Wendungen und Lösungen in der Kurzzeittherapie, 2019

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